Mobbing-Erlebnisse lähmen. Sie verschütten das Wissen um die eigenen Stärken und Kompetenzen. Sie verstellen den Blick für konkrete Handlungsoptionen und nagen am Selbstvertrauen. Typische Erfahrungen, die meine Klienten schildern, sind fachliche und persönliche Kränkungen wie der Entzug von interessanten Arbeitsbereichen oder die absichtliche Unterforderung. Manche beschreiben, wie sie vor den Kollegen bloßgestellt wurden, wenn bestimmte Erwartungen nicht erfüllt wurden – oft ohne die Möglichkeit zur Richtigstellung. Einige Klienten berichten von Ausgrenzung beispielsweise durch das Vorenthalten wichtiger Informationen oder durch die Verbreitung von Gerüchten und falschen Zuschreibungen. Wer solchen Erlebnissen wiederholt und über eine längere Zeit ausgesetzt ist, wird oft krank – körperlich und psychisch.
In meiner Funktion als Jobcoach kommen Menschen zu mir, deren Entscheidung über ihre berufliche Situation zunächst bereits getroffen wurde. Ihnen wurde gekündigt oder sie haben selbst gekündigt, möglicherweise schwelt im Hintergrund noch eine arbeitsrechtliche Auseinandersetzung. Häufig vermittelt über durch die Agentur für Arbeit, kommen sie zu mir ins Coaching und stehen beruflich vor einem Neuanfang oder zumindest dem Weg in eine neue Arbeitsumgebung.
In meine Privatpraxis für Coaching und Psychotherapie kommen auch Menschen, die sich noch mitten in ihrer belastenden beruflichen Situation befinden. Sie wollen Klarheit gewinnen, um eine angemessene Entscheidung zu treffen. Sie suchen Unterstützung dabei, ihre berufliche und persönliche Situation zu verstehen, Handlungsoptionen zu besprechen, Perspektiven zu entwickeln. Oft sind sie froh, ihre Themen mit einem neutralen Gegenüber zu besprechen und damit ihre Familien und Freunde zu entlasten. Typische Fragestellungen sind: Was liegt überhaupt in meinem Einflussbereich? Wo kann ich selbst durch mein Verhalten oder durch eine Änderung meiner Strategie eine Veränderung herbeiführen – und wo eben auch nicht? Wo ist es gesünder loszulassen?
Die Frage nach dem eigenen Einflussbereich ist für viele Klienten verknüpft mit der Frage nach der eigenen Verantwortlichkeit oder sogar Schuld im Bezug auf ihre Mobbing-Situation. Ob sie möglicherweise durch ihre Persönlichkeit besonders anfällig sind für Übergriffe von Vorgesetzten und Kollegen. Nicht nur die online zugänglichen Ratgeber, sondern auch die Mobbing-Forscher vertreten die Auffassung, dass bestimmte Charaktereigenschaften Mobbing begünstigen können. Dies gelte zum Beispiel für Menschen, die sich bei der Arbeit besonders stark an Leistung, Gewissenhaftigkeit und Genauigkeit orientieren. Wenn der Beruf insgesamt einen hohen Stellenwert besitze, könnten sich Unwägbarkeiten dort besonders stark auswirken. Auch ein niedriges Selbstvertrauen, geringe Problemlöse-Kompetenzen sowie eine hohe Sensibilität für ablehnendes Verhalten machten anfällig für Übergriffe von Kollegen und Vorgesetzten. Aus meiner Erfahrung möchte ich ergänzen, dass Mobbing oft generell Ergebnis einer ungünstigen Interaktion ist, bei der Ursache und Wirkung nicht mehr festzustellen sind. So können ungünstige und auffällige Verhaltensstrategien der Mobbing-Betroffenen auch lediglich ein Versuch sein, auf eine schwierige Arbeitsumgebung oder eine anspruchsvolle Konfliktsituation zu reagieren. Laut Mobbing-Report, 2002 von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin veröffentlicht, gab es in mehr als 60 Prozent der dort erhobenen Mobbing-Fälle mehr als einen Betroffenen im Betrieb.
Eine Überprüfung der eigenen Rolle im betrieblichen System aus einer distanzierten Position heraus kann aber helfen, Zusammenhänge zu verstehen und Entscheidungsfreiheit zurückzugewinnen. Die systemische Perspektive ist dafür besonders hilfreich. Zur gemeinsamen Arbeit kann gehören, mehr Flexibilität im eigenen Verhalten zu erlernen, auch um zukünftig souveräner auf schwierige Situationen zu reagieren. Ein wichtiger Baustein ist, sich die eigenen Ziele und Lebenseinstellungen in Bezug auf den weiteren Berufsweg bewusst zu machen und dabei auch andere Säulen des Lebens wie Familie, Gesundheit und soziales Leben gleichberechtigt mit einzubeziehen.
Die Grenzen zwischen Mobbing im Sinne der Forschung und ebenfalls belastenden, aber alltäglichen Konflikterfahrungen mit Vorgesetzten und Kollegen sind fließend. Der Mobbing-Report definiert: „Unter Mobbing ist zu verstehen, dass jemand am Arbeitsplatz häufig und über einen längeren Zeitraum schikaniert, drangsaliert oder benachteiligt und ausgegrenzt wird.“ Es handele sich dabei um Angriffe auf:
Ob jemand zu mir in die Praxis kommt, entscheidet aber nicht eine Definition, sondern die Frage, ob er unter der Situation leidet und ob wir gemeinsam Möglichkeiten sehen, im Rahmen der eigenen Kompetenzen Veränderungen herbeizuführen. Eine Lösung im Rahmen des bestehenden Arbeitsverhältnisses ist in der Regel nur dann möglich, wenn auch bei den Entscheidungsträgern im Betrieb eine prinzipielle Bereitschaft dazu besteht. Für juristisches Vorgehen in Bezug auf Mobbing sind Arbeitsrechtler zuständig. Jobcoaching und Psychotherapie können diesen oft anstrengenden Prozess aber sinnvoll begleiten.
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