In meiner langjährigen Tätigkeit als Jobcoach habe ich erlebt, dass es vielen Menschen, die sich im Bewerbungsprozess befinden, nicht leicht fällt, über sich selbst zu sprechen und sich einem Gesprächspartner zu „präsentieren“. Selbst diejenigen, die es gewohnt sind, vor einem Publikum zu reden und dabei Ideen und Konzepte ansprechend darzustellen, fühlen sich unwohl, wenn das „Präsentationsthema“ ihre eigene Person ist. Sie fragen sich nach dem richtigen Maß: Was ist zu dick aufgetragen, was ist zu bescheiden? Was sollte erwähnt werden, was ist eher nicht so wichtig und wie kann das Gesagte in eine gute Form gebracht werden? Was von dem, was ich auf Karriereseiten im Internet finde, ist brauchbar und wo sollte ich mich lieber auf meine eigenen Ideen und Formulierungen verlassen?
Ich bin der Meinung, dass es mit dem richtigen Handwerkszeug und ein bisschen Reflexion der eigenen Position im Bewerbungsprozess nicht schwer ist, eine persönliche Selbstpräsentation zu gestalten, die authentisch und zielgerichtet ist und an die sich Gesprächspartner gerne erinnern.
Wer kennt sie nicht, die typischen Stellenausschreibungen, in denen Mitarbeiter gesucht werden, die belastbar sind, kommunikationsstark, flexibel oder teamfähig. Wir werden mit Worthülsen konfrontiert, oft allgemein gehalten und rätselhaft. Vielen Karriereratgeber empfehlen, man solle möglichst genau auf den Text des Stellenangebotes eingehen, also könnten wir natürlich einfach antworten: Ja, ich bin belastbar, kommunikativ und teamfähig. Dies ist nicht prinzipiell falsch, jedoch liefern wir damit keinerlei neue oder gar interessante Informationen über uns – außer der einen, dass wir den Ausschreibungstext sorgfältig gelesen haben. Es bleibt uns somit nichts anderes übrig, als im Kontext des Stellenprofils zu interpretieren, was der Absender wohl damit meint, wenn er sich beispielsweis eine kommunikative Mitarbeiterin wünscht. Soll sie in der Lage sein, Kunden zu beraten, soll sie Konflikte lösen und sich auch einmal freundlich durchsetzen können oder soll sie ein Team motivieren? Wünscht man sich von einem flexiblen Mitarbeiter eher Kompromissbereitschaft bei der Schichtplanung oder mehr die Fähigkeit, sich schnell in unterschiedliche Inhalte einzuarbeiten? Es erfordert ein bisschen Mut, die angegebenen Schlagworte nach unseren Vorstellungen zu deuten und mit unseren Kompetenzen abzugleichen: Können wir das anbieten, was hier gefordert wird, und woher wissen wir, dass wir dies können? Schließlich haben wir unsere besonderen Fähigkeiten und Stärken im Laufe unseres Lebens erlernt, geübt, erprobt.
Als Leitfaden, um unsere Stärken lebendig, persönlich und angemessen zu präsentieren, können uns drei Fragen helfen:
Dabei ist es nicht wichtig, die Fragen vollständig nacheinander abzuarbeiten oder sich gar zum Ziel zu setzen, immer alle drei Fragen beantworten zu können. Es geht vielmehr darum, sich selbst auf die Suche zu machen nach eigenen Kompetenzen und Erfolgen – was meist dazu noch Spaß macht – und dadurch auch eigene, individuelle Formulierungen zu finden.
Für die Gliederung der Selbstpräsentation bediene ich mich gerne des AIDA-Prinzips, eines sehr alten, stets weiterentwickelten Modells der Werbewirkung. AIDA ist ein Akronym für die Begriffe Attention, Interest, Desire, Action, und deren Reihenfolge gibt auch gleichzeitig die Gliederung unserer Selbstpräsentation vor:
Oft werde ich an dieser Stelle gefragt: Wie erzeuge ich nun Aufmerksamkeit, ohne ein Werbeprofi zu sein? Wie finde ich den ersten Satz? Ich empfehle an dieser Stelle, mit der Formulierung des zweiten Teils (Interest, Desire) zu beginnen, was oft auf Grundlage der oben beschriebenen Stoffsammlung zu den eigenen Kompetenzen und Fähigkeiten leicht gelingt. Nicht selten ergibt sich dann daraus ein schlüssiger erster Teil. Niemand muss Angst vor einem leeren Blatt haben, denn verschiedene Fragestellungen können helfen, einen guten und individuellen Einstieg in die Selbstpräsentation zu finden:
Auch hier gilt wieder: Die Fragen dienen der Inspiration, sie müssen nicht nacheinander abgearbeitet werden, sondern ergänzen sich vielmehr.
Die zentrale Frage zu diesem Teil ist: Wie erfahre ich die Interessen und Wünsche meines Gesprächspartners in der Bewerbungssituation? Es gibt verschiedene Möglichkeiten:
Den letzten Punkt finde ich besonders interessant, denn er führt uns unmittelbar zu unserer in Karriereratgebern so oft geforderten USP (Unique Selling Proposition). Hier können wir uns unterscheiden von anderen Bewerbern, die lediglich reaktiv auf das in der Stellenausschreibung Geforderte eingehen.
In Bewerbungsanschreiben geht uns der letzte Absatz oft wie von selbst von der Hand. Wir nennen ein Eintrittsdatum, ggf. noch eine Gehaltsvorstellung, bieten eine Hospitation an. Und fordern die Gesprächspartnerin zu einer Aktion auf: „Ich freue mich über eine Einladung zum Vorstellungsgespräch.“ So einfach, so wichtig. Ohne Abschluss ist die Selbstpräsentation nicht rund, sie bleibt in der Luft hängen. Wir können ein Fazit bilden, das Gesagte noch einmal zusammenfassen, ein persönliches Statement ergänzen. In jedem Fall sollten wir den Ball wieder an unseren Gesprächspartner zurückspielen.
Das hier von mir vorgestellte Vorgehen lässt sich sowohl für die schriftliche als auch für die mündliche Selbstpräsentation anwenden. Man kann damit nicht nur aussagekräftige Motivationsschreiben formulieren, sondern auch Vorstellungsgespräche aktiv mitgestalten. Denn mit der Einstiegsfrage „Frau M., schön dass Sie da sind … erzählen Sie uns von sich …“ wird uns ein Raum geschenkt, den wir in unserem Sinne selbst gestalten können.
Ich wünsche viel Spaß beim Reflektieren und Präsentieren der eigenen Stärken und beim Ausprobieren! Immer nach dem Motto: alles kann, nichts muss.
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